Der Sommer steht wieder vor der Tür und viele Menschen verbinden mit den Sommerferien auch einen Badeurlaub und reisen in entsprechende Länder. Praktizierende Muslime entscheiden sich in den letzten Jahren vermehrt für so genannte „konservative“ Hotels (tr. muhafazakar otel) oder einfach Halal-Hotels, die einen Badeurlaub unter Berücksichtigung religiöser Regeln anbieten. Um es einfach auszudrücken: Man kann also Badeurlaub machen, ohne eine Sünde zu begehen, soweit die Theorie😊. Dieser Markt, also der Halal-Tourismus, boomt in den letzten Jahren vor allem in der Türkei, so dass immer mehr konventionelle Hotels ihr Konzept umstellen und sich Halal zertifizieren lassen. Ein Halal-zertifiziertes Hotel ist dann in der Regel 20-30% teurer als ein konventionelles Hotel, weil sie zusätzliche Auflagen erfüllen müssen und die Nachfrage trotz der hohen Kosten wahnsinnig hoch ist. In einem solchen Hotel wird z.B. kein Alkohol ausgeschenkt, das Essen ist halal, die Unterhaltungsprogramme entsprechen einem bestimmten Rahmen, es gibt ausreichend Gebetsmöglichkeiten, das Personal ist entsprechend gekleidet usw.
Vor allem aber gibt es getrennte Schwimmbecken und Wellnessbereiche für Männer und Frauen, in denen auch das Personal entsprechend geschlechtergetrennt ist. Der Frauenbereich ist von außen nicht einsehbar, so dass die Frauen unter sich in Ruhe baden und sich sonnen können. Jungen sind nur bis 5 Jahre erlaubt, ab 6 Jahren müssen sie bei ihren Vätern bleiben. Der Bereich für die Männer ist zwar in der Regel getrennt, aber häufig ohne Abdeckung, so dass es von jedem einsehbar ist. In der Regel gibt es neben den getrennten Pools auch Familienpools, in denen Familien gemeinsam mit ihren Kindern baden können. In manchen Hotels gibt es aber kein separates Männerbecken, sondern die Männer schwimmen dann im Familienbecken. Auch am Strand gibt es teilweise getrennte Bereiche, teilweise aber auch gemischte Bereiche, in denen aber die Kleiderordnung den islamischen Vorschriften weitestgehend entsprechen muss.
Das bedeutet, dass Frauen ihren Körper vollständig bedecken müssen, z.B. durch das Tragen eines Burkinis, auf Türkisch Haschama, wobei bescheidene Badeanzüge, die den Großteil des Körpers bedecken auch erlaubt sind. Männer müssen, zumindest nach herrschender Meinung im islamischen Recht, den Bereich zwischen Knien und Bauchnabel bedecken, was die Mindestvoraussetzung wäre, um als halal zu gelten. Ich möchte hier nicht auf die Details und die verschiedenen Meinungen der Rechtsschulen etc. eingehen, sondern mich in diesem Blogbeitrag auf den Umgang mit diesen Bekleidungsvorschriften beschränken.
Aus der Praxis in den sogenannten Halal-Hotels kann ich sagen, dass Männer und Frauen nicht gleichberechtigt behandelt werden, bzw. für Frauen gelten strengere Regeln als für Männer und seltsamerweise ist das für die allermeisten überhaupt kein Problem. Es gibt mittlerweile viele Publikationen und auch Konsumentenbefragungen über solche Hotels und da taucht dieser Punkt immer wieder als Beschwerde auf, dass Männer sich beim Baden nicht an die Halal-Regeln halten. Tatsächlich ist es so, dass in den meisten, eigentlich in allen Hotels, in denen ich war, die religiösen Bekleidungsvorschriften nur bei den Frauen eingehalten werden. Oder vielleicht kann man es auch so sagen: In der Regel sind es meistens nur die Frauen, die darauf achten, sich entsprechend zu kleiden. Oft habe ich auch Schilder am Beckenrand gesehen, dass Frauen sich bitte an die bescheidene Kleider-Regeln halten sollen, ein Hinweis an die Männer ist kaum vorhanden. Wenn man sich die Familienpools anschaut, sieht man Frauen in Ganzkörperanzügen, wobei nicht alle ein Kopftuch tragen, es geht darum, dass der Körper weitestgehend bedeckt ist. Die Männer hingegen halten sich größtenteils, vielleicht zu 95 %, nicht an die Mindestvorschriften der Bedeckung. Die meisten tragen ganz normale Badehosen, die gerade mal die Oberschenkel bedecken.
Ansonsten sieht man sonnengebräunte Männer mit trainierten Bauchmuskeln, rasierten Brüsten und Bizeps, die mit Sonnencreme eingecremt sind und glänzen, aber auch weniger attraktive junge und ältere Männer mit behaartem Ayranbauch, die ihren gesamten Schambereich zeigen und ein halal-Urlaub machen. Es gibt nur ganz wenige, die sich tatsächlich die Mühe machen, mit einer etwas längeren Hose die Knie zu bedecken und die Hose so hochzuziehen, dass auch der Bauchnabel bedeckt ist. Ganz ästhetisch sieht das allerdings nicht aus. Manche, die auf die Bedeckungsregel achten, ziehen weiße T-Shirts drüber, die erstens gar nicht für den Pool geeignet sind und zweitens ästhetisch sehr problematisch sind. Es gibt mittlerweile einige Hersteller, die besonders für muslimische Männer fiqh-gerechte Badehosen produzieren, die die entsprechenden Stellen bedecken. Aber verbreitet ist es noch nicht, weil der Bedarf gar nicht gesehen wird bei den Männern. Ich hatte mir extra für diesen Urlaub einen Ganzkörperschwimmanzug gekauft, der sowohl den religiösen Regeln entsprach, als auch schwimmfähig und ästhetisch einigermaßen ansehnlich war. Denn wenn Frauen auf diese Regeln achten, dann sollten sich Männer fairerweise auch daran halten.
Das Interessante ist, dass letztes oder vorletztes Jahr, als ich mit meinem Neoprenanzug im Schwimmbad war und von der großen Rutsche herunterrutschen wollte, kam ein Angestellter des Hotels und sagte mir, dass dieser Anzug nicht erlaubt sei, ich müsse eine normale Badehose tragen. Ich fragte ihn, warum das nicht erlaubt sei, da es doch ein geeigneter Badeanzug sei. Er konnte mir die Frage nicht beantworten und meinte, die Vorgesetzten hätten ihn darauf hingewiesen. Ich habe ihm dann freundlich gesagt, er solle sich erkundigen, warum, dann könne ich das machen. Er kam nicht wieder, anscheinend gibt es dort kaum Männer, die solche Ganzkörperanzüge tragen. In dem Moment kam ich mir vor wie eine muslimische Frau in einem Hallen- oder Freibad in Deutschland, wo muslimische Frauen mit einem Burkini häufiger angesprochen werden. Aber auch das ist inzwischen viel besser geworden.
Das heißt, die Hotelangestellten waren irritiert, dass ein Mann sich an die muslimischen Baderegeln halten wollte und wollten mich deshalb darauf hinweisen, es bitte nicht zu tun. Die Regeln gelten schließlich nur für Frauen, so habe ich es verstanden. Was man von den Regeln hält, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Man kann natürlich auch viel über Halal-Tourismus reden, aber darum geht es mir nicht. Mir geht es nur um die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, wenn es um die Einhaltung von Regeln geht. Wenn man den Anspruch hat, in einem halal-konformen Rahmen Urlaub zu machen, dann sollte man für beide Geschlechter die gleichen Standards haben und die Einhaltung der Regeln von beiden einfordern und nicht nur von den Frauen. Ich glaube, dass es auch in anderen Bereichen ähnliche Probleme gibt, an denen wir dringend arbeiten müssen.
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